Weihnachtsbrief 2022

von | Dez 2022 | Vereinsnachrichten

Freunde sind Licht an Schattentagen

Ruth W. Lingenfelser

Liebe Paten, Mitglieder und Unterstützer,
liebe Freunde von Kindern Zukunft geben – Ghana e.V.,

wir sind glücklich, denn wir haben mit Ihnen so viele treue Menschen gefunden, die auch in widrigen Zeiten nicht müde werden, uns und damit unsere Projekte in Ghana zu unterstützen. Dafür möchten wir Ihnen ganz herzlich danken!
Ihre Hilfe sorgt bei den jungen Menschen in Ghana für Hoffnung und Vertrauen auf eine bessere Zukunft – für ganz viel LICHT AN SCHATTENTAGEN! Und das ist bei der aktuellen Situation wirklich nicht einfach, wie der beigefügte Brief von Judith Scholz verdeutlicht.

Von der Situation vor Ort konnte sich auch unsere 2. Vorsitzende Irmgard Strick bei ihrem diesjährigen, ihrem ersten Besuch in Ghana ein Bild machen. Sie war sehr beeindruckt zu sehen, was unser kleines, aber hoch qualifiziertes Team vor Ort alles auf die Beine stellt. Das Engagement geht weit über die normale Arbeit hinaus. Ganz besonders berührt hat sie der Besuch in unserem Ausbildungszentrum für Fashion & Design. Sie konnte an der Generalprobe für die diesjährige Examensfeier teilnehmen und in einer eigens für sie organisierten Modenschau die wunderbaren, nach eigenen Entwürfen geschneiderten Werke bewundern. Beeindruckend, was die Mädchen von den kompetenten und liebevollen Lehrerinnen in so kurzer Zeit lernen.
Aber nicht nur die fachliche Ausbildung spielt hier eine Rolle. Es herrscht eine ganz besondere Stimmung, man sieht, hört und spürt ganz deutlich, was es den jungen Frauen bedeutet, in herzlicher und fröhlicher Atmosphäre gemeinsam zu lernen. Hier ist viel Freude, Kreativität, Talent und Feuereifer im Spiel!
Gemeinsam lernen, leben, kochen, essen, lachen, singen, beten… und natürlich die Gewissheit, immer einen Ansprechpartner für die eigenen ganz individuellen Sorgen und Nöte zu haben, das alles prägt die jungen Frauen, stärkt ihr Selbstbewusstsein und schenkt ihnen Hoffnung auf eine eigenständige und selbstbestimmte Zukunft. Umso wichtiger ist es, für den Erhalt dieses Ausbildungszentrums zu kämpfen, trotz aller aktuellen Schwierigkeiten.

Bei der Suche nach Ersatz für unseren langjährigen Sponsor des Ausbildungszentrums können wir kurzfristig kleine Erfolge verzeichnen. Wir bedanken uns herzlich bei allen,
die den Verein unterstützen. Besonders erwähnen möchten wir die Paten und Patinnen der jungen Frauen im Ausbildungszentrum, das Amtsgericht Neuwied, das uns in den Verteiler der Adressaten für verhängte Geldbußen aufgenommen hat, die LIBRA-Stiftung, die uns eine große Spende zukommen ließ, und die Soroptimistinnen Koblenz, die uns für das Jahr 2023 finanziell unterstützen werden.

An dieser Stelle möchten wir auf das Lichterkonzert am 06. Januar 2023 in der Basilika St. Kastor in Koblenz hinweisen. Das von den Soroptimistinnen Koblenz organisierte Benefizkonzert findet bereits zum 15. Mal statt. Vielleicht ist eine Karte für das Konzert ja auch ein schönes Weihnachtsgeschenk, ein Dankeschön, um einem lieben Menschen eine Freude zu machen. Und diese Freude wird gleich verdoppelt, denn der Erlös des Benefizkonzerts kommt unserem Verein zu Gute.

Ich danke Ihnen allen für Ihre Unterstützung und wünsche Ihnen und Ihrer Familie im Namen des gesamten Vorstands eine schöne Weihnachtszeit und ein gutes Jahr 2023.

Mit herzlichen Grüßen

Hermann Hammes-Therre
1. Vorsitzender

Ghana Dezember 2022

Liebe Unterstützer, Paten und Freunde,

geht es Ihnen auch so? Man weiß in diesem Jahr gar nicht so richtig, was man sich gegenseitig für das neue Jahr wünschen soll, oder? Auf jeden Fall wohl Gesundheit und Frieden untereinander.

Nachdem wir Corona nun einigermaßen im Griff hatten oder besser gesagt gelernt hatten, damit zu leben, kam der Krieg um die Ukraine und damit eine ganz andere Dimension von Krise. In Ghana hatten wir zwar schon immer mit Inflation zu kämpfen, aber was wir im Moment erleben, übersteigt alles Bisherige und bringt uns ausnahmslos an unsere Grenzen. Seit Jahren steigen die Preise langsam aber stetig – jetzt nur noch stetig. Zurzeit liegt die Inflationsrate bei 40 % mit der Tendenz weiter steigend. Dies bedeutet nicht nur, dass man sich einschränken muss, sondern es bedroht die Existenzen! Denn praktisch alles ist auf einmal unbezahlbar geworden und die Preise
steigen immer weiter.

Existenzen brechen zusammen, weil sich z.B. die kleinen Garküchen die Lebensmittel nicht mehr leisten können. Geschäfte machen zu, weil sie keine Kundschaft mehr haben. Es gibt für die Allermeisten nur noch eine Priorität, und das ist: den Magen jeden Tag irgendwie zu füllen. Für Großfamilien eine fast unlösbare Aufgabe. Das Schlimme ist, dass die Preis-Explosion vor keinem Artikel haltmacht und in Ghana die Lebensmittelauswahl von Haus aus schon eingeschränkt ist. Wenn z.B.eine Tasse Reis jede Woche um ca. 5 Cedi steigt und eine Flasche Öl, die 9 Cedi kostete, diese Woche bei 40 Cedi liegt, dann macht das auf jeden Fall Angst. Vom Transport wollen wir erst gar nicht reden. Benzin ist unbezahlbar und auch die Preise für die kleinen Busse steigen ständig.

Aber die Ghanaer haben eines, was sie sich in keiner Lebenslage nehmen lassen, und das ist ihr Humor. Da der Küchenmeister Schmalhans uns nun alle eingeholt hat, haben wir in Ghana eine Formulierung, die man von der täglichen Medikamenten-Einnahme her kennt, auf die Mahlzeiten übertragen: 1-1-1 bedeutet, dass man morgens, mittags und abends eine Mahlzeit hat. Nur am Sonntag machen wir zu Hause eine Ausnahme und essen 1-1-1, gönnen uns also auch ein Mittagessen. Ich persönlich halte mich an die Formel 1-0-1. Und 1-0-1 ist besser als 0-1-0 oder sogar 0-0-0. Einige Dinge wurden komplett vom Essensplan gestrichen: Frittiertes, Reis und Erdnuss zum Beispiel. Süßes, Snacks und Getränke außer Wasser gibt es schon lange nicht mehr. Dafür essen wir mehr Kochbananen, die wir zu Hause haben, und Suppe aus Wildpflanzen, die wir uns aus dem Busch zusammenstellen können. Ist immerhin sehr gesund! Soweit zur wirtschaftlichen Lage in Ghana. Nun zur Situation in unseren Projekten. Auch hier lassen
wir uns die Freude an der Arbeit und die Motivation nicht nehmen.

Im Schulkinderprojekt

haben wir in diesem Jahr so viele neue Anfragen wie selten zuvor. Es gibt kein Schulspeisungsprogramm mehr und
die wachsende Armut bringt uns immer mehr notdürftige Kinder und Jugendliche, die hungrig in der Schule sitzen und sich nicht konzentrieren können. Da wir jedoch nur ein kleiner Verein sind und all unsere Schützlinge intensiv und zuverlässig betreuen möchten, ist unsere Aufnahmekapazität mittlerweile voll ausgeschöpft. So müssen wir die meisten Anfragen schweren Herzens ablehnen. Ruby ist glücklich, denn sie ist eines der Mädchen im Schulkinderprojekt. Das Foto zeigt sie mit einer ihrer Nichten.

Positives aus dem Ausbildungsprojekt

Zwei Mädchen aus dem Ausbildungsprojekt haben ihre Ausbildung mit einer feierlichen Zeremonie abgeschlossen. Dabei ist es in Ghana üblich, reichlich Puder als eine Art Segen über den jungen Menschen zu streuen. Faustina ist einer der beiden, die es geschafft haben. Nun kann sie in ein selbstständiges Leben starten. Das Foto unten entstand bei ihrer Graduation.

Im Girls Empowerment Projekt

haben wir eine ganze Reihe neuer Mädchen aufgenommen. Dazu gehört auch Janet, eine junge Mutter, die mit ihrer Ausbildung zur Hairdresserin begonnen hat.

Die Anzahl der jungen Mädchen, die als Teenager Kinder bekommen und ohne Ausbildung dastehen, nimmt leider zu. Aus diesem Grund haben wir unser Teenage Pregnancy Prevention Projekt ausgeweitet und arbeiten jetzt mit den Koordinatoren der Schulbehörde des Distrikts zusammen. Gemeinsam versuchen wir, Lehrer, Schüler und Eltern an 35 Schulen zu sensibilisieren, bieten dort unterschiedliche Aktivitäten an und haben im November für alle 100 Koordinatoren einen Workshop zum Thema Teenager-Schwangerschaften organisiert.

Neue Shops für das Girls Empowerment Projekt

Unsere von der knodel foundation geförderten neu errichteten Ausbildungs-Shops (das sind einfache Container) in dem kleinen Ort Nobi wurden eröffnet und starteten gleich mit jeweils 10 Auszubildenden, die meisten davon Teenager-Mütter. Wir freuen uns sehr, dass diebeiden Lehrerinnen in diesen Shops zwei junge Frauen sind, die ihre Ausbildung über unsere Projekte absolvierthaben: Sackey (Foto unten), die in diesem Jahr ihr Examen in unserem Ausbildungszentrum für Fashion & Designerfolgreich abgeschlossen hat, wird die angehenden Schneiderinnen unterrichten. Mavis aus unserem Ausbildungsprojekt wird die Hair-Dresserinnen übernehmen.

Auf den Neustart unseres Bäckereiprojekts

hat sich die wirtschaftliche Situation in Ghana sehr negativ ausgewirkt. Er konnte schlicht gesagt nicht wie geplant stattfinden.
Das neue Gebäude konnten wir mit eigenen Mitteln und dank einer großzügigen Spende der Bäcker-Innung Mittelrhein im Frühjahr fertigstellen. Als alles für den Start bereit war, wurde es sehr schwierig. Die Kosten für den Grundstock, um mit der Produktion und der Ausbildung zu beginnen, stiegen immens und sprengten unseren finanziellen Rahmen. Getreide gab und gibt es so gut wie nicht zu kaufen und wenn doch, dann nur zu unglaublich hohen Preisen. Dennoch hat sich eine junge Frau, eine Solwodi Rückkehrerin, die von uns betreut wird, der schwierigen Aufgabe gestellt. Sie erhält dabei externe Unterstützung und backt bisher im kleinen Rahmen. Wir wünschen ihr und uns, dass die allgemeine Situation sich in absehbarer Zeit wieder bessert.

Unser größtes Sorgenkind

ist und bleibt das Ausbildungszentrum, für das uns ab 2023 der langjährige Sponsor wegfällt. Mit mehreren großzügigen Spenden und einigen neuen Paten glaubten wir zunächst noch, unser Zentrum vorerst finanziell gerettet zu haben. Aber gerade hier trifft uns die aktuelle wirtschaftliche Situation besonders hart. Die jungen Frauen werden im Center voll verpflegt und mit allem Nötigen versorgt, was momentan finanziell fast unmöglich zu leisten ist. Ob wir 2023 einen neuen Kurs starten und unsere “Juniors” bis zum Ende ihrer Ausbildung begleiten können, steht zurzeit wirklich in den Sternen.

Aber sie hätten doch alle eine Chance verdient, wie Mara (Foto oben), die ihre Ausbildung als eine der ersten im Zentrum abschließen konnte und heute in ihrem eigenen Shop zwei junge Mädchen ausbildet. Deshalb dürfen und wollen wir die Hoffnung nicht aufgeben! Wunder, kleine und auch große gibt es bekanntlich immer wieder.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen im Namen meines ganzen Teams in Ghana besinnliche Weihnachten und ein für alle hoffentlich besseres neues Jahr 2023. Lassen auch Sie sich nicht den Humor nehmen.

Ein herzliches DANKESCHÖN an alle Paten und Unterstützer, die uns trotz der eigenen Sorgen weiter treu bleiben!

Ihre Judith Scholz

Titelbild: Judith und Sozialarbeiterin Faida beim Besuch in Maras Shop.